Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muß dieses seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen; er darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, daß ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden (§ 2 des Tierschutzgesetzes).
Deshalb müssen vor dem Kauf eines Reptils Kenntnisse über die Biologie der betreffenden Art und die sich daraus ergebenden Haltungsanforderungen erworben sowie ein Terrarium für seine artgemäße Haltung vorbereitet werden. Dem Erwerb von Nachzuchten ist grundsätzlich der Vorzug zu geben. Arten, die der fachlich informierte (sachkundige) Anfänger halten kann oder die nur der Spezialist halten soll, sind im Gutachten besonders gekennzeichnet. Alle nicht oder als „nur für den Spezialisten geeignet“ gekennzeichneten Arten sowie alle Chamäleons eignen sich nicht für den „Einstieg“ in die Reptilienhaltung.
Das Gutachten soll und kann das Studium entsprechender Fachliteraur nicht ersetzen und ist als alleinige Quelle für den Erwerb von Wissen über die Reptilienhaltung nicht geeignet.
Die Angaben im speziellen Teil entsprechen dem derzeitigen Erkenntnisstand; sie sollen in regelmäßigen Abständen auf ihre Aktualität überprüft und erforderlichenfalls überarbeitet werden.
I. Allgemeiner Teil
1. Klimatisierung und Beleuchtung
Reptilien sind wechselwarme (ectotherme) Tiere, deren Lebensfunktionen in hohem Maße von den Umweltbedingungen abhängen. Demzufolge ist eine den natürlichen Verhältnissen entsprechende Klimatisierung der Gehege für ihre erfolgreiche Pflege und Zucht von entscheidender Bedeutung. Um das zu gewährleisten, ist entsprechend der artspezifischen Bedürfnisse in der Regel ein Temperaturgefälle im Haltungssystem und eine Nachtabsenkung der Umgebungstemperatur notwendig. Die Spannbreite dieser Minimal- und Maximaltemperatur sowie die Vorzugstemperatur können sehr verschieden sein; Hinweise dazu werden im speziellen Teil gegeben. Insbesondere muß berücksichtigt werden, daß viele Reptilien thermoregulatorische Verhaltensweisen besitzen, die es ihnen ermöglichen, während der Aktivität eine mehr oder weniger konstante Körpertemperatur (auch als „Betriebstemperatur“ bezeichnet) aufrecht zu erhalten.
Für bestimmte Arten ist auch die mit Licht gekoppelte Strahlungswärme wichtig. Auf die Verwendung geeigneter Lampen/Leuchtstoffröhren und die sachgerechte Anbringung ist zu achten (u. a. wegen Verbrennungsgefahr). Die Beleuchtungsintensität hat für die Aktivität, die Färbung und die Gesundheit Bedeutung.
Zwei weiterere wichtige Faktoren für die Gesunderhaltung der Reptilien sind die Luft- und die Substratfeuchtigkeit. Einzelheiten sind im speziellen Teil dargelegt.
Alle Umweltfaktoren sollen den natürlichen Verhältnissen der Herkunftsbiotope weitestgehend entsprechen. Dabei muß berücksichtigt werden, daß nicht nur das Makroklima, d. h. die aus einem Klimaatlas gewonnenen Daten, sondern vor allem das Mikroklima, das mitunter erheblich vom Makroklima abweichen kann, für die Gesundheit und das Wohlbefinden entscheidend ist.
Geeignete Geräte zur Messung von Temperatur und Luftfeuchtigkeit müssen vorhanden sein.
2. Ernährung
Zu gewährleisten ist eine der jeweiligen Art adäquate Ernährung. Das eingesetzte Futter muß einen den Ernährungsbedürfnissen entsprechenden Gehalt an Vitaminen, Mineralien und Ballaststoffen aufweisen. Für Möglichkeiten einer artgemäßen Wasseraufnahme ist zu sorgen.
3. Terrariengestaltung
Die Gehegegestaltung bzw. die Infrastruktur des künstlichen Lebensraumes muß sich an den Bedürfnissen der zu pflegenden Art orientieren (z. B. Graben, Wühlen, Klettern, Schwimmen). Zu den wichtigsten Mindestausstattungen gehören:
- geeignetes Bodensubstrat in genügender Höhe,
- Versteckmöglichkeit,
- eventuell Wasserbecken, Badebecken,
- eventuell Klettermöglichkeiten (Felsen, Äste, Zweige) in geeigneter Größe und Dimension,
- eventuell Bepflanzung zur Herbeiführung eines geeigneten Mikroklimas, als Versteckmöglichkeit u. a.,
- bei Haltung geschlechtsreifer eierlegender Weibchen spezielle Eiablagemöglichkeit.
Sichtschutzeinrichtungen innerhalb eines Geheges oder zwischen einzelnen Gehegen können erforderlich sein.
4. Vergesellschaftung
Um sozialen Streß bei Paar- und Gruppenhaltung zu vermeiden, muß auf die natürliche Sozialstruktur geachtet werden, wobei im Terrarium jedoch nicht immer die natürliche Sozialstruktur, z. B. mit einem dominanten und mehreren rangniederen Männchen in einer Gruppe, möglich ist. Auch müssen individuelle Unterschiede der Tiere bei der Vergesellschaftung berücksichtigt werden. Es kann erforderlich sein, mehrere Futterstellen einzurichten.
Eine Vergesellschaftung verschiedener Arten mit gleichen Biotopansprüchen ist möglich; die Tiere dürfen sich jedoch gegenseitig nicht negativ beeinflussen.
5. Terrariengröße
Allgemeingültige Angaben zur Gehegegröße können nicht gemacht werden. Die Maße sollten sich auf die Kopf-Rumpf-Länge, Körperlänge oder Panzerlänge beziehen und den natürlichen Bewegungsbedarf angemessen berücksichtigen. Im speziellen Teil werden dazu Richtwerte genannt.
Sind bauliche Veränderungen zur Erfüllung der Richtwerte nötig, so ist dies bei der Festlegung von Übergangszeiten entsprechend zu berücksichtigen. Bei größeren Um- und Neubauten ist von ca. 5 Jahren, von Planungsbeginn an, auszugehen.
6. Pflege
Eine artgemäße Pflege schließt Grundnormen der Sauberkeit und Hygiene, eine regelmäßige Gesundheitskontrolle und erforderlich werdende Behandlungsmaßnahmen ein.
7. Sonderbedingungen
Für Quarantäne und Behandlung erkrankter Tiere sowie bei der Simulation von Ruhephasen und der Aufzucht von Jungtieren können besondere Haltungsbedingungen erforderlich sein.
Für die vorübergende Haltung von Reptilien im Groß- und Einzelhandel sind die unter Punkt III.1 aufgeführten Ausnahmen bei der Raumzumessung und der sozialen Zusammensetzung tolerierbar. Anforderungen an die Haltung im Rahmen von Reptilienbörsen sind unter Punkt III.2 dargestellt.
Sonderbedingungen für die Haltung von Reptilien in Zirkussen und Schaustellungen, einschließlich Wanderschaustellungen, werden abgelehnt.
II. Spezieller Teil - Dauerhaltung
1. Mindestanforderungen an die Haltung von Chamäleons
Die nachfolgenden Empfehlungen gelten für die Pflege adulter Tiere. Sie sind sinngemäß für die Aufzucht juveniler Tiere anzuwenden, deren Ansprüche jedoch deutlich abweichen können.
Für einen „Einstieg“ in die Reptilienhaltung sind Chamäleons nicht geeignet. Arten, die von Anfängern der Chamäleonhaltung gepflegt werden können und Arten, die nur von Spezialisten gepflegt werden sollen, sind in der Tabelle gekennzeichnet.
Anforderungen an Strahlungswärme, "Frischluftbedürfnis", Luftfeuchigkeit und Verträglichkeit sind für häufig gepflegte Arten in nachfolgender Tabelle zusammengefaßt. Erläuterungen dazu sind den Legenden 1 bis 4 zu entnehmen.
Die Terrariengröße wird auf Kopf-Rumpf-Länge bezogen und soll für bodenlebende Arten (Länge x Breite x Höhe) 4 x 4 x 2,5, für alle anderen Arten 4 x 2,5 x 4 betragen. Diese Rauminhalte gelten für die Haltung eines Tieres. Für die Paarhaltung sind 20 % der Grundfläche zuzugeben.